Hanoi: Abenteuer Straßenüberquerung
Eine rund fünf Meter breite Straße trennt unsere Unterkunft in Hanoi von dem Geldautomaten, der die ersten paar Millionen Dong für unsere Reisekasse ausspucken soll. Das Problem: Pro Sekunde fahren hier gefühlt Hunderte, teilst höchst kurios beladene, Mopeds entlang. Jedes der Zweiräder scheint dabei seine ganze eigene Fahrspur zu haben. Während der rasanten Fahrt wird mit dem Smartphone munter telefoniert, kleine Videos gedreht oder Selfies geschossen. Der Verkehr scheint absolute Nebensache für die Mopedfahrer zu sein.
Mehrere Minuten hoffen wir darauf, dass sich eine Lücke im Mopedmeer bilden möge, die wir für eine unfallfreie Straßenüberquerung nutzen können. Vergeblich… Im Schatten zweier vietnamesischer Fußgänger wagen wir schließlich todesmutig die Mission Straßenüberquerung. Dann geschieht etwas, was uns wie ein Wunder erscheint: Wider Erwarten werden wir von keinem einzigen Roller erfasst. Geschickt lenken die Mopedfahrer ihre Fahrzeuge um uns herum und wir erreichen erleichtert und unversehrt die andere Straßenseite. Später am Tag erklärt uns ein irischer Reisender die goldene Regel zur Straßenüberquerung in Hanoi: „Einfach die Straße in gleichmäßigem Tempo überqueren und darauf vertrauen, dass die Mopedfahrer schon wissen, wie sie Euch ausweichen müssen. Nur nicht stehen bleiben, das irritiert die Rollerfahrer!“ Mit der Überlebensweisheit gerüstet, beginnen wir mit unserer Erkundungstour durch Vietnams quirlige Hauptstadt und schon wenige Stunden später sind wir echte Profis in Sachen Straßenüberquerung.
Unterwegs in Hanois historischer Altstadt: 36 Gassen voller Überraschungen
Vietnams Hauptstadt Hanoi ist nicht schön im klassischen Sinne. Die Straßen der Altstadt sind eng, laut und vom Verkehrschaos völlig überlastet. Die Häuser der Altstadt ragen weit in den Himmel. Teilweise sind sie so schmal gebaut, dass der Platz pro Stockwerk für nur ein einziges Zimmer reicht. Grund dafür, dass sich dieser besondere Baustil in Hanoi durchgesetzt hat, war das Grundsteuergesetz während der französischen Kolonialzeit. Die Grundsteuer wurde pro Quadratmeter bebautes Land berechnet.
Was uns vom ersten Augenblick an unglaublich fasziniert, ist die Lebendigkeit der vietnamesischen Hauptstadt. Bald beschließen wir, unsere Weiterfahrt nach Sapa zu verschieben, sodass uns nun zwei volle Tage Zeit bleiben, den ganz besonderen Flair von Hanoi zu genießen. In jedem der vielen Ladengeschäfte, an jeder Straßenkreuzung und in jedem Hinterhof gibt es etwas Kurioses zu entdecken. In den verwinkelten 36 Gassen von Hanois Altstadt wird in alter Tradition vorwiegend eine bestimmte Produktgruppe verkauft. So gibt es beispielsweise die Gasse der Kinderspielsachen, die Gasse der Gewürze oder die Gasse der Schuhe. Beeindruckt von dem bunten Warenangebot schlendern wir stundenlang durch die Straßen und bummeln über Obst- und Gemüsemärkte. Auf Plastikstühlen sitzend, die so klein sind, dass sie unter dem Gewicht von uns Europäern zusammenzubrechen drohen, lassen wir uns frisch zubereitete Frühlingsrollen schmecken und beobachten dabei das geschäftige Treiben um uns herum.
Vor allem bewundern wir immer wieder, was in Vietnam alles auf einem einzigen Moped Platz findet. 2 Erwachsene und 4 Kinder – das jüngste davon schlafend zwischen den beiden älteren Geschwistern eingepresst – ist die höchste Personenzahl, die wir auf einem der Mopeds zählen. Daneben lernen wir, dass sich ein Moped auch wunderbar für den Transport lagenweise übereinander gestapelter roher Eier oder meterlangen Metallstangen eignet. Bei all den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Zweiräder ist es wenig erstaunlich, dass das Moped von den Vietnamesen oft wie ein Heiligtum behandelt wird. So werden viele Mopeds auch nachts nicht etwa auf der Straße, sondern in der oft sowieso schon recht beengten Wohnung geparkt. Ein sehr beliebter Stellplatz ist direkt neben dem Bett.
Hanoi – Eine äußerst liebenswerte Servicewüste
Die Einwohner Hanois sind eher zurückhaltend und sparsam im Umgang mit Worten. So manch einen Reisenden mag es zunächst irritieren, wenn im Restaurant das ungeöffnete Bier mit einem Flaschenöffner auf den Tisch gestellt wird oder die Kellnerin keinerlei Reaktion zeigt, nachdem man sich freundlich für das servierte Essen bedankt hat. Es dauert ein wenig, bis man als Reisender verstanden hat, dass der Verzicht auf im Westen übliche Höflichkeitsfloskeln wie „bitte“ und „danke“ absolut nichts mit Unfreundlichkeit zu tun hat.
Die meisten Vietnamesen legen schlichtweg keinen Wert auf diese Floskeln. Trinkgeld ist ebenfalls weitgehend unbekannt und wird auch oft nicht angenommen. Was uns schnell an der vietnamesischen Kultur gefällt: Wir werden nirgendwo massiv bedrängt, irgendwelche Waren oder Dienstleistungen zu kaufen. Sicherlich bezahlen wir verständlicherweise vielerorts als Tourist mehr als die einheimischen Kunden. Wir haben aber nie das Gefühl, irgendwo aktiv abgezockt oder betrogen worden zu sein. In einer kleinen Bar in Hanois Altstadt machen wir sogar noch ein echtes Schnäppchen. Hier wird zur Happy Hour „Vodka passion fruit Buy 2 get 2“ angeboten. Natürlich schlagen wir sofort zu 😊.
Sightseeing Hanoi: St.Joseph Kathedrale, Hoan-Kiem-See und Literaturtempel
Natürlich darf bei unseren Erkundungsspaziergängen auch ein Besuch von Hanois wichtigsten Sehenswürdigkeiten nicht fehlen. Erstes Highlight unserer Stadtbesichtigung ist die St.Joseph-Kathedrale, die nach dem Vorbild der berühmten Pariser Kathedrale Notre Dame erbaut wurde. An derselben Stelle stand 800 Jahre lang die Bao-Thien Pagode, bevor diese von den Kolonialherren zerstört und das christliche Gotteshaus errichtet wurde.
Am Ufer des Hoan-Kiem-Sees, der zwischen der Altstadt und dem ehemaligen Kolonialviertel liegt, unternehmen wir einen kleinen Spaziergang und genießen den Blick auf das Wasser. Über die märchenhaft anmutende The Huc Brücke gelangen wir zum Jadeberg Tempel, der auf einer kleinen Insel im Hoan-Kiem-See liegt. Am Tor werden wir von zwei sympathisch dreinschauenden Figuren begrüßt, die Fröhlichkeit und Wohlstand verkörpern sollen. Während wir in Richtung Tempel schreiten, entdecken wir Orangen von einer Größe, wie wir sie nie zuvor gesehen haben.
Vor dem Tempel liegt der Duft von hunderten Räucherstäbchen in der Luft. Der Tempel selbst ist dem vietnamesischen General Tran Hung Dao und dem Schutzgott der Literaten, Van Xuong, gewidmet. Im sogenannten Schildkrötentempel bewundern wir eine ausgestopfte Schildkröte, die ein imposantes Gewicht von 240 Kg auf die Waage bringen soll. Mehrere vietnamesische Besucher verneigen sich ehrfürchtig vor der Riesenschildkröte. Wir erfahren, dass die Schildkröte der Legende nach einst mit der Übergabe eines magischen Schwertes geholfen haben soll, die Armeen der chinesischen Ming Dynastie in die Flucht zu schlagen.
Auch bei der nächsten Sehenswürdigkeit, die uns in Hanoi erwartet, spielen Schildkröten eine tragende Rolle. Der Literaturtempel ist die älteste Universität in Vietnam. Zu Ehren der Schüler, die die anspruchsvollen Prüfungen der Universität bestanden haben, wurden im Innenhof des Literaturtempels die Namen und Ergebnisse dieser Schüler auf Stelen verewigt. Die Stelen werden von Schildkröten getragen, da diese in Vietnam als Symbol der Weisheit gelten. Nachdem wir ausführlich durch die beeindruckende konfuzianische Tempelanlage geschlendert sind, gönnen wir uns ein entspanntes Päuschen in der schönen Parkanlage des Tempelkomplexes. Interessanterweise findet hier gerade ein vietnamesisches Fotoshooting statt, das wir uns gerne ansehen.
Must-Do in Hanoi: Besuch im Wasserpuppentheater
Obwohl verschiedene Freunde im Vorfeld schon vom Wasserpuppentheater in Hanoi geschwärmt haben, sind wir, was diese Veranstaltung angeht, etwas skeptisch. Sogar SEHR skeptisch, um ehrlich zu sein. Als wir in Hanoi dann das auf Deutsch übersetzte Programm des Theaters lesen, auf dem Darstellungen wie „Die Löwen um Kugel zu kämpfen“, „Ente wurde Fuchs gefangen“ und „Vier heilige Tiere zusammen Tanz“ angepriesen werden, sind wir zwar sehr amüsiert, aber gleichzeitig auch sehr sicher, dass wir uns während der Vorführung zu Tode langweiligen werden. Da wir nun aber schon einmal in Hanoi sind, kaufen wir uns dennoch Karten für die Nachmittagsvorstellung. Kaum sitzen wir, beginnt auch schon die Vorführung. Die Bühne besteht aus einem Wasserbecken, durch das Figuren in Form von Fischen, Menschen, Löwen, Drachen und Wasserbüffeln wirbeln und den meist europäischen Besuchern Geschichten aus Vietnam erzählen.
Untermalt wird die Vorführung von einigen Live-Musikern, die links und rechts der Bühne platziert sind, sowie von verschiedenen Licht- und Nebeleffekten. Während der Theateraufführung sind wir mal fasziniert, mal amüsiert, aber zu keiner Sekunde gelangweilt. So kommt der Moment, an dem die bis zu den Hüften im Wasser stehenden Puppenspieler nach vorne treten und sich vor dem begeistert klatschenden Publikum verneigen viel zu früh. Der Besuch des Wassertheaters in Hanoi war für uns auf jeden Fall eines der ganz besonderen Erlebnisse während unserer Vietnamreise. Wir raten wirklich jedem, der nach Hanoi reist, sich eine Wasserpuppentheatervorstellung anzuschauen. Es lohnt sich definitiv!